Zielsetzung in Verhandlungen​

Zielsetzung in Verhandlungen

Dr. Alexander Hoeppel

Veröffentlicht am 22.12.2020 von 
Dr. Alexander Hoeppel, Gründer und Verhandlungstrainer bei nachnordosten

SMART kann dumm sein

Besonders beliebt ist für die Setzung von Zielen die SMART-Methode. Ziele sollen zum Beispiel spezifisch (S), messbar (M), ansprechend (A), realistisch (R) und terminiert (T) sein. Tatsächlich ist die SMART-Methode sehr gut geeignet, um gesetzte Ziele zu bewerten, die Zielerreichung zu sichern und sich selbst zu organisieren. 

SMART sollte jedoch nicht als hinreichende Methode zur Zielfindung, sondern zur Überprüfung der gesetzten Ziele anhand bestimmter Qualitätskriterien verstanden werden. Es ist ein großer Nachteil, wenn Sie in der Verhandlung starr an Ihren gemäß der SMART-Methode überprüften Zielen festhalten. Für die Verhandlung sollten Ihre Ziele auch nicht realistisch im Sinne von SMART, sondern überaus ambitioniert sein. 

Jetzt wird's haarig - BHAGs für die Zielsetzung

Stattdessen können Sie sich auch Big Hairy Audacious Goals (BHAG), also große, kühne Ziele, zu nutzen. Das sind gewissermaßen die „ausgeflippten“ Geschwister der etwas dröge anmutenden SMART-Ziele. Die Formulierung entstammt dem Buch “Built to Last: Successful Habits of Visionary Companies”, einem internationalen Besteller der Management-Literatur. Die Autoren Collins und Porras beschreiben darin einige aus ihrer Sicht besonders erfolgreiche Unternehmen, die sich u. a. durch die Formulierung eines sehr ambitionierten Ziels auszeichneten: 

Ein besonders anschauliches Beispiel ist Microsofts Business Mission von 1975: „A computer on every desk and in every home, running Microsoft software.“ 

 Grundsätzlich sind solche Mission Statements oder Visionen empfehlenswert, wenn es darum geht, sich der eigenen übergeordneten Ziele bewusst zu werden und innerhalb der eigenen Organisation sowie gegenüber Dritten zu kommunizieren. Allerdings lässt sich im Nachhinein weder mit Sicherheit feststellen, ob der Erfolg eines Unternehmens mit der ehemals propagierten großen Vision zusammenhing, noch, ob eine solche Vision überhaupt zu den Erfolgsstrategien zu zählen ist. 

Wie setze ich das in der Verhandlung ein?

Setzen Sie sich sehr ambitionierte Ziele. Machen Sie nicht den Fehler, als objektiver Richter an die Sache heranzugehen („Gut, der Wagen hat eine Sportausrüstung, dafür ist das Leder auf dem Fahrersitz schon etwas abgewetzt.“) „Realistisch“ ist in diesem Zusammenhang ein gefährliches Wort. Nehmen wir an, Sie definieren ein „realistisches“ Ziel, packen noch etwas oben drauf, gehen in die Verhandlung und der andere sagt ihnen sofort: „machen wir so“. Dann denken Sie doch: „Mist, da wäre mehr drin gewesen.“  

 Stattdessen, sollten Sie Ziel und dementsprechend auch das erste Angebot kurz vor der Unverschämtheit setzen. Zusätzlich überlegen Sie sich „objektive“ Kriterien. Mit „objektiven“ Kriterien ist nicht gemeint, dass der andere dem zustimmen müsste oder es keine andere Bewertungsgrundlage gäbe. Sie überlegen sich aber Kriterien, wie sie auf das erste Angebot gekommen sind (also z.B. Vergleichspreise aus dem Internet; Schwacke-Liste; irgendein Berechnungsmodell, das für Sie günstig ist.) 

Fernglas

Wenn Sie über mehrere Gegenstände verhandeln, sollten Sie genau analysieren, wie sie die einzelnen Verhandlungsgegenstände gewichten – z.B. mit Hilfe einer Conjoint-Analyse. Hierfür werden unterschiedliche Merkmale mit Punkten bewertet. So können Angebote und mögliche Verhandlungsergebnisse besser verglichen werden. Das ist wichtig, um sich selbst vor zu großen Konzessionen an der falschen Stelle zu schützen, aber auch, um selbst flexibel bei der Zielerreichung zu sein. Insbesondere in komplexeren Verhandlungen sollten Sie hierzu auch die verschiedenen Fachbereiche mit einbinden, um unterschiedliche Blickwinkel und Nutzenargumente in die Gesamtbewertung einfließen zu lassen. So kann sich schnell ergeben, dass ein in der Verhandlung im Vordergrund stehendes Ziel mit Blick auf den Gesamtnutzen ganz anders gewichtet werden muss. Der vermeintlich günstigere Preis für eine Dienstleistung kann sich zum Beispiel schnell als deutlich weniger bedeutsam herausstellen, sobald andere Faktoren (Qualität; Flexibilität; Einhaltung von Lieferfristen etc.) mit einbezogen werden. 

Die Sinnlosigkeit des Minimalziels

Weit verbreitet ist in Verhandlungsratgebern auch die Definition von Minimal- und Maximalzielen. Dieses Vorgehen ist jedoch irreführend. Das minimalste, gerade noch akzeptable Ergebnis wird immer von Ihrer BATNA bestimmt. In der Verhandlung sollten Sie sich jedoch keineswegs auf Ihre eigene BATNA, sondern auf die Ihres Verhandlungspartners konzentrieren. Die Definition eines (weiteren) Minimalziels ist sinnlos, da die möglichen Verhandlungsergebnisse bereits nach unten durch die BATNA begrenzt werden.  

Was bringt Ihnen das in Verhandlungen?

Durch die Setzung eines ambitionierten Ziels sind sie davor gefeit, sich unter Wert zu verkaufen. Wichtigster Maßstab für ihre Performance ist dann, dass sie das Ziel nicht in vollem Umfang erreicht haben. Denn es ist so, wie es der Dirigent Herbert von Karajan einmal formuliert hat:  

„Wer all seine Ziele erreicht, hat sie wahrscheinlich zu niedrig gewählt.“
– von Herbert von Karajan

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