Lion's share

Fairness in Verhandlungen

Dr. Alexander Hoeppel

Veröffentlicht am 27.12.2020 von 
Dr. Alexander Hoeppel, Gründer und Verhandlungstrainer bei nachnordosten

Ist der Löwenanteil fair?

„Mir ist ein faires Ergebnis wichtig!“ Diesen Satz hört man häufig. Doch was bedeutet fair und ist das überhaupt wichtig für das Verhandeln?

Schon Aesop (5. Jahrhundert v. Chr.) machte sich Gedanken über Fairness. Von ihm stammt die folgende schöne Fabel:

„Löwe, Esel und Fuchs gehen gemeinsam auf die Jagd. Als der Löwe am Ende den Esel auffordert, die Beute unter ihnen zu teilen, tut er dies auch sehr genau. Da zerreißt der Löwe ihn voller Wut und befiehlt nun dem Fuchs, die Beute zu teilen. Der Fuchs überlässt dem Löwen daraufhin bis auf Weniges seinen Anteil, worauf der Löwe ihn schmunzelnd fragt, wer ihn so schön teilen gelehrt habe. „Das Missgeschick des Esels“, antwortet ihm der Fuchs.“

Anhand des Problems der gerechten Verteilung lassen sich ganz grundlegende Gerechtigkeitsprinzipien darstellen. Der Esel scheint nicht nur ein Anhänger der arithmetischen Gleichheit zu sein, sondern hat sich auch Gedanken zum Prozess gemacht („Ich teile, Du wählst“).  Dennoch ist er wenig erfolgreich mit seinem Konzept.

Ausgehend von der Fabel lassen sich vier ganz grundlegende Prinzipien von Verteilungsgerechtigkeit herausarbeiten. Die vier Prinzipien entsprechen der Unterteilung bei Donelson R Forsyth, der jedoch „Responsibility“ als fünften Typ der Verteilungsgerechtigkeit nennt.

  1. Gleichheitsprinzip (Equality): Jeder bekommt den gleichen Anteil.

  2. Leistungsgerechtigkeit (Equity): Jeder erhält einen Anteil gemessen am Beitrag, den er geleistet hat. 

  3. Macht: Der mit der größten Macht erhält den größten Anteil. 

  4. Bedarfsgerechtigkeit (Need): Diejenigen die am bedürftigsten sind, erhalten den größten Anteil.

„Macht“ war zwar die längste Zeit der Menschheitsgeschichte ein akzeptiertes Prinzip, eignet sich heute aber nur noch in sehr begrenztem Umfang zur argumentativen Untermauerung des eigenen Anspruches. Anhand der Prinzipien Gleichheit, Leistung und Bedarf wir hingegen bis heute der Großteil der gesellschaftlichen Debatten um gerechte Verteilung geführt.

Hinzu kommt das, was man als Regelgerechtigkeit oder Prozessgerechtigkeit bezeichnen kann. In einer einfachen Form also das, was der Esel als Prozess zur Aufteilung der Beute vorschlug („Ich teile, Du wählst.“). Ein vehementer Verteidiger des Vorrangs des Regelgerechtigkeit vor allen anderen Gerechtigkeitskonzepten war z.B. Friedrich A. Hayek.

Darin erschöpfen sich aber nicht die möglichen Definitionen von Fairness. Man könnte nämlich auch dafür eintreten, dass die Frage „wahrhaft“ gerechten und moralischen Verhaltens überhaupt nichts mit dem Ergebnis oder dem Prozess, sondern nur mit Blick auf die Intention der Handelnden beantwortet werden kann. Das entspräche einer Position, wie sie z.B. in der deontologischen Ethik eines Immanuel Kant formuliert wurde.

Hayek
"Life's not fair but not always to your disadvantage." Quote by John F. Kennedy

Gefährlich ist es daher auch, davon auszugehen, am Ende zahle sich die Fairness immer aus. Menschen haben unterschiedliche Verständnisse von Fairness, die miteinander in Konflikt geraten können, ohne dass eindeutig zu bestimmen ist, wer fair und wer unfair ist. Eng verbunden mit einem unreflektierten Verständnis von Fairness ist häufig die Annahme, es gehe in der Welt grundsätzlich gerecht zu. Dieser „Gerechte-Welt-Glauben“ drückt sich in Aussagen wie „Ernten, was man sät“ oder der Hoffnung auf die ausgleichende Macht des „Karmas“ oder einer anderen höheren Instanz aus. Auf „Karma is a bitch“ sollte man sich jedoch nicht verlassen und für vornehme Zurückhaltung und maßvolle Sachlichkeit entlohnt Sie in Verhandlungen niemand.

Sofern wir über Verteilung sprechen, ist auch noch anzumerken, dass der Kuchen, der seit der Antike verteilt wird, ziemlich angestaubt ist. Den antiken Philosophen, an denen wir uns heute noch vielfach orientieren, war nämlich eine Sache völlig unbekannt: ein stetig wachsender Kuchen. Dank der Wertschöpfung der letzten 250 Jahre ist der zu verteilende Kuchen jedoch dauernd größer geworden. 

Vielleicht fragen Sie sich, wie Ihnen das alles helfen soll, ihre Verhandlungsperformance zu verbessern. 

Drei Aspekte der Fairness sind hilfreich für effektives Verhandeln:

  1. Es gibt verschiedene Gerechtigkeitskonzeptionen, die alle mit Argumenten untermauert werden können.

    Akzeptieren Sie, dass es unterschiedliche Verständnisse von Fairness gibt. Das erleichtert es Ihnen, auch bei einem abweichenden Verständnis von Fairness nicht emotional oder abwertend zu reagieren.

  2. Fairness und Gerechtigkeit sind wichtig, wenn es darum geht, ein Verhandlungsergebnis zu akzeptieren.

    Machen Sie sich Gedanken über Ihre eigenen Vorstellungen von Fairness und bereiten Sie Fairness-Argumentation vor, die für Ihre Interessen nützlich sind.

  3. Fairness gibt es nicht nur mit Bezug auf das Ergebnis, sondern hinsichtlich des Prozesses der Verhandlung.

    Achten sie auf einen fairen Prozess, sprechen sie darüber, wie Sie miteinander verhandeln und fordern Sie einen fairen Verhandlungsprozess ein.

Fairness spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn der andere das Verhandlungsergebnis akzeptieren soll. Das ist umso wichtiger, wenn für Sie auch die Implementierung nach der Verhandlung oder die langfristige Beziehung eine Rolle spielt.

Wenn Sie jedoch auf dem Basar einen Aschenbecher als Mitbringsel für Ihre Schwiegermutter kaufen wollen, können Sie zwar versuchen, einen kleinen Exkurs zur Fairness auszuführen, werden dadurch aber kaum den Kaufpreis zu Ihren Gunsten beeinflussen.

Literaturangaben:

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